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von fnerstheimer » 12.01.2014, 20:22
nachdem ich den ganzen Thread gelesen habe, musste ich nochmal hoch zur eigentlichen Frage, zu der ich gerne versuchen will, etwas zu sagen.
Die Ausfallwahrscheinlichkeit von Bauteilen folgt einer wannenartigen Kurve - zuerst ist sie hoch, dann geht sie runter, bleibt dort eine lange Zeit, und am Ende geht sie wieder hoch. Bauteile mit hohen Anforderungen an die Zuverlässigkeit, z.B. fürs Militär, werden vorgealtert, um die Anfangsausfälle zu eliminieren.
Die mittlere Lebenserwartung von Bauteilen findet sich oft in Datenblättern, sie hängt aber entscheidend davon ab, was mit dem Bauteil während dieser Zeit angestellt wurde.
Schon alleine wegen der Anfangsausfälle ist es fragwürdig, ob man dadurch das Ausfallrisiko senkt, dass man gealterte Bauteile durch fabrikfrische ersetzt. Ein 30 Jahre alter Receiver bleibt ein 30 Jahre alter Receiver, egal, wie viele Bauteile man erneuert.
Kaputte oder offensichtlich altersschwache Teile müssen getauscht werden, genau wie Gammel keine Patina ist, und deshalb entfernt werden sollte. Alles, was darüberhinaus geht, muss aber ganz individuell entschieden werden, schon alleine deshalb, weil jeder Teiletausch auch eine Belastung für das Gerät und eine potentielle Quelle für Fehler darstellt. Zudem lassen sich viele Teile ja gar nicht so einfach tauschen, ich denke nur an die ganzen Mehrfach Elkos, die speziell für ein bestimmtes Gerät hergestellt wurden.
Ich persönlich meine, dass es ganz generell unverantwortlich ist, jemandem eine 30 Jahre alte HiFi-Anlage zu empfehlen, der keine Affinität zu altem Zeug hat, und nur eine besonders billige oder besonders stylishe Alternative zur modernen Alltagsanlage sucht. So eine alte Anlage wird niemals wieder neu, egal, wie viele Teile man tauscht. Selbst wenn es gelänge, die Technik wieder komplett in den Neuzustand zu versetzen, ist die Anlage noch von den Eigenschaften und der Ausstattung ein Relikt aus einer anderen Zeit. Mir hat mal ein gewerblicher Porsche Restaurator erzählt, dass es oft passiert, dass Leute ein kleines Vermögen für einen 356 oder einen frühen 911 / 912 ausgeben, und danach frustriert feststellen, dass die Dinger nicht viel anders fahren als ein alter Käfer, und einen Pflegeaufwand brauchen, mit dem sie als Neuwagenfahrer total überfordert sind. Bei HiFi Anlagen ist es zwar nicht ganz so krass, vom Grundsatz her geht es aber schon in die Richtung.
Auf der anderen Seite ist es ebenso totaler Schmarrn, das zu glauben, was die High-End-Blätter über Bauteilealterung schreiben. Diese stellen die Alterung ja oft so dar, dass die Geräte schneller schlecht werden als frisches Obst. Natürlich ändern Bauteile mit der Zeit auch ganz leicht ihre Eigenschaften. Wenn das aber schon reicht, um die Eigenschaften z.B. eines Verstärkers so zu verändern, dass er zum hochwertigen Musikhören nicht mehr brauchbar ist, dann ist das entweder ein grober Engineering Fehler oder einfach ein Werbetrick, um die Fans zum ständigen Neukaufen zu animieren. Zehn Jahre sollte ein Neugerät bei normaler Nutzung schon durchhalten, bevor die ersten ernsthaften Probleme auftauchen.
Ich selber kenne Radios aus den dreissiger Jahren, die bis heute mit den originalen Netzteilelkos einwandfrei funktionieren - diese Radios können sich aber schnell in totale Schrotthaufen verwandeln, wenn man sie nur wenige Monate in einen kalten Keller stellt. So groß ist die Spanne bei der Haltbarkeit von Bauteilen in Abhängigkeit von der Behandlung durch den Benutzer.
Gruß Frank
"Man will halt immer das, was die anderen haben, bis dann alle das haben, was die anderen haben und dann wollen alle wieder das, was dann keiner mehr hat"