ich habe mir vor ein paar Jahren ein Paar L 710 gekauft inklusive der legendären Standfüße. Optisch mit einigen kleineren Macken und deutlicher Patina, aber sie haben funktioniert und die Ständer waren dabei.

Der folgende Hörtest an verschiedenen Verstärkern (CSV 510, CSV 300 und T+A R 1260 R) verlief allerdings eher ernüchternd: schlabbrige Bässe, verhangene Mitten und dumpfe Höhen. Auch durch verschiedene Lautsprecherpositionen änderte sich nicht viel. Allerdings glaube ich , dass diese Lautsprecher im Top-Zustand deutlich besser klingen als meine. Nach dem Entfernen des Lochgitters war auch zu sehen warum: bei den Kalottenmittel- und Hochtönern hatte sich die dämpfende Beschichtung weitgehend aufgelöst!
Angeregt durch einen Artikel im renommierten Selbstbaumagazin "Hobby Hifi" (5/2009) entschloss ich mich dazu, die gesamte Technik rauszuschmeissen und durch aktuelle zu ersetzen. In einem späteren Heft (5/2013) fand ich dann den genau dazu passenden Bauvorschlag: Eine Zwei-Wege-Box, geschlossen, mit Hochpass (= Kondensator im Signalweg zum Tieftöner, der die Frequenzgangüberhöhung im Bereich der Resonanzfrequenz aufgrund des eigentlich zu kleinen Gehäuses egalisiert und den Bassbereich nach unten ausdehnt). Wichtig ist nämlich, dass das Innenvolumen und die Größe bzw. die Breite der Schallwand mit dem Bauvorschlag weitgehend übereinstimmen.


Also bestellte ich die Visatonlautsprecher ( W 250 S 4 Ohm und G 25 FFL mit WG 148 R ) und die Frequenzweichenbauteile bei meinem Händler. Die folgenden Arbeitsschritte waren dann: Entfernen der Chassis, Ausräumen der Dämpfungswolle, Aussägen der Schallwand, Ausbau der Frequenzweiche.



In das nun leere Gehäuse wurde als erstes eine neue Auflage für die zukünftige Schallwand eingeleimt (Vierkantleisten mit 15 mm). Als nächstes kamen die Horizontalversteifungen dran, die beim Original nicht vorhanden sind, aber das Gehäuse deutlich beruhigen und weniger resonanzanfällig machen, gerade bei forcierter Lautstärke.


Die Frequenzweiche wurde zweiteilig ausgeführt, so das die Platinen gut zwischen die Horizontalversteifungen passten. Glücklicherweise habe ich einen Bruder, der Elektroingenieur und Lötkolbenvirtuose ist. Anschließend kam die Bedämpfung dran, die nach Menge und Position gemäß den Vorgaben des Bauvorschlags eingebracht wurde.


Die letzte Herausforderung war die Herstellung der neuen Schallwand (MDF 19mm) , speziell die Einfräsungen der Chassis mittels Oberfräse. Diese sind für einen glatten Frequenzband äußerst wichtig. Da ich noch nie mit einer Oberfräse gearbeitet hatte, musste ich mich erst mal an einem Spanplattenrest ausprobieren. Aber recht schnell hatte ich den Bogen raus. Außerdem wurden noch etliche kleine Vertiefungen am Rand mit dem Forstnerbohrer gemacht, worin dann tablettengroße Neodymmagnete festgeklebt wurden, die dann die runderneuerten Lochgitter halten sollten. Die Schallwand wurde schwarz gebeizt und die Magnete mit kleinen runden Filzen abgedeckt.

Jetzt war nur noch die Schallwand einzuleimen, die Lautsprecher an die Frequenzweiche anzulöten und diese dann festzuschrauben. Auch die Verkabelung wurde verbessert: statt der mickrigen DIN-Stecker und klingeldrahtdünnen Zuleitungen habe ich Einpressbuchsen, Bananenstecker und ein hochwertiges Kabel von Reckhorn benutzt. Ein leidiges Thema waren noch die Frontgitter: glücklicherweise hatten sie kaum Dellen, aber bis ich das verhärtete Moosgummi bzw. Styropor entfernt hatte, vergingen einige Tage mit Abbeizer und Spiritus. Die originalen Metallstäbe wurden anschließend wieder eingeklebt. Mit neuen BRAUN-Logos an neuer Stelle machen die runderneuerten L 710 optisch schon mal einen relativ guten Eindruck, obwohl es auch hier noch Verbesserungsbedarf gibt:


Als krönender Abschluss wurden die Boxen nun ausgiebig getestet, zuerst am T+A-Verstärker und T+A SACD Player. Was soll ich sagen? ein echter Quantensprung !
Satte Bässe schmeicheln das Zwerchfell, die Mitten klar und deutlich, die Höhen feinziseliert und niemals aggressiv. Das bleibt auch bei forcierter Lautstärke so !
Dann wurden die Boxen an meinen BRAUN-Verstärkern getestet und auch hier: super Klang. Jetzt können die Verstärker erst mal zeigen, was in Ihnen steckt.
Nach einigem Hin-und Herrücken haben sie jetzt in meinem BRAUN-Studio die richtige Position gefunden, wo der Klang wirklich super ist.
Natürlich war der handwerkliche und finanzielle Aufwand nicht unerheblich, aber für mich hat er sich mehr als gelohnt.
Vielleicht fühlt sich der eine oder andere durch diesen Artikel angeregt. Es würde mich freuen, auch wenn es der "hehren Lehre" vielleicht widerspricht.
Lothar