sonst war ich hier immer nur Leser und hab schon viel von Eurem Know-How profitiert, aber ich wollt auch mal was zurück geben.
Hier eine Foto(-Love-)Story mit vorläufigem Happy-End.
Als kleine Hommage und zur Anregung, dass sich so eine Restauration lohnt. Wobei: Beides ist wohl hier im Forum wie Eulen-nach-Athen-tragen.
Der Sinn der nicht ganz ernst gemeinten Umfrage ergibt sich übrigens weiter unten.
Die Tatsache, dass ein doch zunächst noch echt schrottiges Paar Braun L 620/1 wieder "wohnzimmertauglich" hergerichtet werden konnte und jetzt sogar den hohen ästhetischen Ansprüchen an Raumgestaltung der Partnerin genügt, spricht für eine besondere Qualität dieser Lautsprecher. Klangtechnisch ist die Sache jetzt ohnehin sehr in Ordnung, mehr dazu am Schluss.
Vorher-Nachher Bild. Im 44. Lebensjahr der 620/1 (eigentlich waren die letzten Jahre wohl mehr Siechen als Leben) suchten die Boxen ein neues Zuhause.
Vergeblich hatte der Vorbesitzer sich noch bemüht, ihnen Töne zu entlocken und sie sogar noch betrieben – nicht wissend, dass an Stelle der Bass-Sicken schon längst nur noch ein ‚Nichts‘ war. Aber nicht nur das Klangerlebnis war natürlich sehr bescheiden, auch das Äußere hatte in vier Jahrzehnten einiges vom Leben seiner Mitbewohner (eine nette Punk-WG) mitbekommen.
So waren Getränkespuren, Nikotin, Speisereste und Tannennadeln – frohes Fest!

Nicht zuletzt, weil ja auch hier im Forum durchaus eine Fangemeinde der 620/1ser existiert, hatte ich die Hoffnung, das das Ganze sich lohnen könnte. Zwar skeptisch, ob an meinem Regie 510 jemals andere als die 710/1er gut passen würden, habe ich mich doch an die vorsichtige Öffnung der Gitter gemacht. Gaaaanz vorsichtig aufhebeln, Zentimeter um Zentimeter weiter, rund um das Gehäuse und dabei das Holz geschützt. In meinem Fall waren die seeeehr Gitter satt in das schwarze Silikon gelegt, welches im Gegensatz zur Dichtmasse an den Chassis auch noch ganz flexibel war.
Das hat immerhin die Müllhalde aus Tannennadeln Staub, Sicken-Bröselmaschine etc. beisammengehalten. Apropos Tannennadeln: Sagt mal, habt Ihr eigentlich auch in Lautsprecher-Boxen, wenn Ihr die bekommt immer Tannennadeln? Ich hab tatsächlich nur sechs Paar, hier sind sicher Leute mit besserer Datenbasis, aber bei mir liegt die Tannennadel-Quote bei 75%. Deshalb die "Umfrage"

Aber diese hier ist schließlich eine Dezember-Box, also gehören Tannennadeln wohl dazu...
Die 21cm-Chassis – Baujahr lt. Stempel 1972 ausgebaut und glücklicher Weise – trotz Baumaßnahmen daheim – den guten Rainer Hebermehl erreicht. Schnell waren dann die Teile nach fachmännischer Instandsetzung mit Original-Sicken abholbereit.
Für den Profi Rainer schien außer Frage, dass sich das Ganze lohnt, ich Amateur hatte immer noch Zweifel an dem Projekt … aber gut, wenn die Bässe funktionieren, dann sind die LS wenigstens was für die Garage, die Werkstatt, die Gartenlaube … ermunterte ich mich.
... dann die Gehäuse gründlich aufgearbeitet, mit Soda abgelaugt, um Nikotin, Speisereste und Dreck aus den Poren zu bekommen (natürlich nicht mit zu viel Wasser) und schnell bei Zimmertemperatur getrocknet, alter Lack von Hand abgeschliffen, neuer matter Klarlack gaaanz dünn aufgebracht (nicht gesprüht oder gerollt), damit es wiedermit der Holzporenstruktur aussieht, wie zuvor. Erstaunlich, dass trotz der Tatsache, dass die Gehäuse mitten im Leben gestanden haben, das Echtholzfurnier eigentlich an keiner Stelle gelöst war, auch keine Spalten zwischen den „Viertelstäben“ und den Furnieren oder Risse am Gehäuse. Ich war selbst ganz baff, wie gut die Kisten wieder da standen.
Auf Rat von Rainer Hebermehl habe ich mich auch getraut, einige gröbere Staubpartikel, die sich an den Klebe-Kalotten festgefressen hatten, voooorsichtig mit etwas Nitro (Feinpinsel benutzen) anzulösen und dann mit einer Pinzette - noch vooooorsichtiger - abzusammeln. Interessanter Weise verschließen sich so die entstandenen ‚Narben‘ auf der Klebebeschichtung wieder vollständig. Toller Tipp vom Meister… Danke!
So, die Basschassis wieder eingesetzt, angelötet, abgedichtet, Box fertig. Ach ja, da waren ja noch die Gitter… Also: Ich hab gute Erfahrung mit Spiritus und einer Schaumkur mit flüssigem Wollwaschmittel gemacht, wobei man eine Handbürste nehme, und diese Stück für Stück in die Löcher hinein arbeite. Nur so bekommt man die Vergilbungen im Inneren (!) der Löcher heraus. Das Ergebnis dieser Prozedur lohnt sich. Zwar waren alle Dellen noch da, aber das Alu sah wieder wunderbar hell aus. Dann auf einer glatten Fläche ein feines Tuch ausgebreitet, und von innen die Wölbung so mit festeren und weicheren Rollen bearbeitet, dass a) die Dellen geglättet und ausgebeult werden und b) die Wölbung erhalten bleibt.
Jaja, ich weiß, die Braun-Logo-Schilder gehören anders herum. Aber das ist hier jetzt meine individuelle Note und zur Not ja auch reversibel.
Bei der kompakten Größe der Boxen, schön auf Ständern platziert, gibt es gar nichts am Klang zu meckern, im Gegenteil. Der Bass ist agiler, wirkt sogar tiefer und vor allem „weicher“ als bei den manchmal etwas bullig daher kommenden 710/1sern. Die Höhen und Mitten sind brillant und nicht zu spitz. Eine wirklich sehr runde Sache am CEV 510! Gut dass das Steuergerät zwei Boxenpaare schalten kann. Denn nun ist meine Präferenz für Klassik, Stimme und sparsamer instrumentierten Jazz die 710er und für Rock, Folk, Elektronik und „fetteren“ Jazz ganz klar die 620er, weil ausgewogener im Gesamtbild und niemals nervig. Party und "Laut-Hifi-machen", geht sicher mit der 710er besser, aber die 620er ist schon sehr fein.
Bevor ich jetzt in die ultimative Lobhudelei ausbreche: Klar, natürlich wollte ich nach der Arbeit jetzt auch unbedingt ein Erfolgserlebnis haben, alles andere wäre ja panne. Und ja, klar, es geht immer auch noch besser. Ich höre z.B. auch noch sehr gern Acron 600B aus den 80ern, die gehen halt tiefer in den Basskeller und haben, wie ich finde, ‚gesoundetere‘ Mitten.
Aber es geht doch nichts darüber, wenn Braun nach mehr als vierzig Jahren so schön für Ohr und Auge sein kann!
In diesem Sinne, viele Grüße,
Paul