Die Squeezebox – ein Nachruf ...

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fnerstheimer
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Die Squeezebox – ein Nachruf ...

#1 Beitrag von fnerstheimer » 22.10.2012, 12:49

... oder wie es Konzerne immer wieder schaffen, gute Ideen zugrundezurichten

Die Squeezebox von Logitech ist als Internetradio allgemein bekannt. Weniger bekannt ist, dass sich mit Squeezeboxen sehr preisgünstig Musikverteilsysteme aufbauen ließen, die durchaus audiophilen Ansprüchen genügen konnten.

Kein Saturn-Verkäufer hat das Potential erkannt, das in diesen Geräten steckt, und auch Logitech selber hat sich jetzt dazu entschlossen, das System lieber komplett einzustampfen, statt es sinnvoll zu modernisieren und weiterzuentwickeln.

Das Einstampfen geschah auf die liebenswürdige Art, die allen Herstellern von Computerperipherie zu eigen ist. Keine Ankündigung, kein gar nichts. Die Geräte sind einfach von einem Tag auf den anderen von der Logitech Homepage verschwunden.

Sucht man etwas genauer, findet man heraus, dass der unscheinbare Link oben am Rand zu einer Firma namens Ultimate Ears auf der Logitech Einstiegsseite dahin führt, wohin das Squeezebox-System entsorgt wurde.

Ultimate Ears hat eine gewisse Bekanntheit mit Ohrstöpseln erreicht, die individuell auf die Ohren der Benutzer angepasst werden. Seit einigen Wochen gehört Ultimate Ears jetzt zu Logitech, und wird als Marke für die Logitech Audioprodukte benutzt.

Neben einem uninspirierten Angebot an netzwerkfähigen Lautsprechern findet man dann auch das letzte Squeezebox-Produkt wieder, das kleine Squeezebox Radio. Es nennt sich jetzt UE Smart Radio, ist optisch etwas gepimpt, und ist nicht mehr kompatibel zum alten Squeezebox System. Geräte mit audiophilem Aspruch gibt es gar keine mehr.

Zu einem Nachruf gehört auch ein Blick in die Historie. Die Squeezebox wurde im Jahr 2001 von der Firma Slimdevices auf den Markt gebracht. Die ersten Modelle machten noch einen etwas gebastelten Eindruck, die erste Box, die das heutige Konzept vollständig umgesetzt hatte, war die dritte Version, die als Squeezebox Classic bekannt wurde. Ohne Verstärker war sie als HiFi-Komponente konzipiert, und erntete von Anfang an sehr gute Kritiken in der HiFi-Fachwelt. Noch unter Slimdevices Regie wurde ein audiophiles Gerät nachgeschoben, das auf den Namen Transporter hörte. Zu deutlich vierstelligem Preis bekam man einen Netzwerkplayer mit edelster Wandlertechnik, der Sampleraten bis 96kHz unterstützte, und vom ganzen Layout wie ein Studiogerät wirkte. Mit diesem „Sortiment“ aus zwei Geräten wurde die Firma Slimdevices in 2006 von Logitech übernommen.

Der Großserienhersteller Logitech und das „klein, fein, kreativ“ Unternehmen Slimdevices passten nicht wirklich zueinander. Das erste Gerät, was geopfert wurde, war der Transporter – ein Netzwerkplayer für 2000 Euro, auf dem Logitech stand, und der nur in homöopathischen Mengen verkauft werden konnte, das passte nicht zu einer Firma, die in Millionenstückzahlen denkt.

Die Squeezebox Classic wurde noch eine Weile unter Logitech weitergebaut, und schließlich durch die Squeezebox Duet abgelöst. Die Duet waren eigentlich zwei Geräte – eine Blackbox ohne Bedienelemente, der Squeezebox Receiver, und eine bidirektionale Fernbedienung, die per WLAN mit dem Gerät kommunizierte, und mit der man sämtliche Boxen innerhalb des Netzwerkes fernsteuern konnte. Dies nannte sich Squeezebox Controller.

Kurz später kam dann eine Squeezebox auf den Markt, die mittlerweile als Kultstück teurer als neu gehandelt wird – die Squeezebox Boom. Als Stereo-Einblock-Gerät im Radiowecker-Format beeindruckte sie durch ihren bombastischen Sound. Ein amerikanischer HiFi-Kritiker schrieb damals den Satz „die Squeezebox Boom hält das, was das Bose Wave Radio verspricht“. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wenig später kam dann das Gerät dazu, das als einzige Squeezebox noch heute neu im Laden verkauft wird – das Squeezebox Radio. Auf den ersten Blick wirkt die kleine Squeezebox wie eine Boom, der man einen Lautsprecher abgeschnitten hat. Die Unterschiede sind aber deutlich größer. Das Squeezebox Radio ist vom Bedienkonzept moderner als die anderen Boxen, ist von der Audioausstattung aber deutlich schmalbrüstiger, für HiFi-Anwendungen auch nach Anschluss an eine Anlage nicht geeignet. Der Klang ist aber dennoch besser als der der meisten Heimradios, das Tivoli Radio hört sich z.B. ziemlich schlapp an gegenüber dem Squeezebox Radio, was vor allem deshalb phänomenal ist, weil das Squeezebox Radio z.Zt. für 99 Euro im Laden steht. Eine Besonderheit ist auch, dass das Squeezebox Radio mit einem Akku nachgerüstet werden kann, und dann wie ein Kofferradio im Bereich des WLAN herumgetragen werden kann.

Mit den drei Geräten Duet, Boom und Radio war ein System entstanden, das eigentlich alle Audio-Anwendungen im Haushalt ausreichend abdeckte. Eine letzte Modernisierung kam dadurch, dass die Fernbedienung Controller durch eine Smartphone App überflüssig gemacht wurde, und auch der zweite Teil der Duet aus dem Sortiment genommen wurde. Stattdessen kam die Squeezebox Touch.

Die Touch entsprach vom Grundkonzept wieder der alten Classic, hatte aber die Wandlertechnik vom Transporter geerbt, mit Sampleraten bis 96kHz, und besaß zur Bedienung ein Touch-Farbdisplay.

Das große Dilemma des Squeezebox-Systems war, dass die Squeezeboxen nicht z.B. per UPnP direkt auf Musikquellen zugreifen können, sie benötigen eine spezielle Serversoftware, sonst funktionieren sie nicht. Das allein ist eigentlich kein Problem, weil die Software von Anbeginn Open Source ist, und eine rührige Entwicklergemeinde dafür sorgt, dass sie weitergeführt wird. Das eigentliche Problem war, dass Logitech die Benutzer zwar mit tollen Clients ( den Boxen ) versorgt hat, auf der Serverseite aber nie den PC-Bezug aufgegeben hat, und den Benutzer mit der Installation im Regen stehen lassen hat.

Für den einfachen Betrieb einer Box als Internetradio gibt es vom Logitech einen „Server im Netz“, das Portal mysqueezebox.com. Hiermit spielt eine neue Box zwar nach wenigen Minuten, aber das Portal ist a) temporär überlastet und dadurch unzuverlässig und b) ist es nicht zu gebrauchen, wenn man neben Internetradio und Musikdiensten auch noch die eigene Sammlung streamen will.

Wie gut ein Squeezebox-Netz mit eigenem Server funktioniert, hängt daher extrem von den technischen Fähigkeiten des Besitzers ab. Wer in der Lage ist, einen zuverlässigen Server und ein funklochfreies WLAN aufzubauen, für den ist das Squeezebox-Netz eine große Freude. Für die weniger technik-affinen Musikfreunde kann ein Squeezebox-Netz dagegen zu einer Quelle ewigen Ärgers werden.

Logitech hätte nichts weiter tun müssen, als das, was auch die Edel-Anbieter wie z.B. T&A tun – einmal vernünftige vorinstallierte Serverhardware anbieten und zum anderen das System da zu verkaufen, wo es eigentlich hingehört – im Fachhandel. Stattdessen entschied man sich lieber für den Weg, das System einzustampfen und einfachere Geräte auf den Markt zu werfen. Die Ultimate Ears Geräte spielen auch ohne Server, sind aber schwerpunktmäßig auf Berieselung aus der Cloud ausgerichtet – die Audioqualität liegt weit unter den audiophilen Squeezebox-Geräten, und die eigene Musikbibliothek ist in der Bedeutung nach hinten gestellt worden.

Die Geschichte mit der Squeezebox zeigt auf dramatische Weise, wie weit die Denke von Unterhaltungselektronik- und Computerherstellern immer noch auseinanderliegt, und wie groß die Unfähigkeit ist, sich mit guten Ideen gemeinsam weiterzubringen. Schon jetzt stehen die frischen Ultimate Ears Produkte genau da, wo vorher auch die Squeezeboxen gestanden haben – im Geizmarkt im untersten Regalfach zwischen Radioweckern und Taschenradios, betreut von Verkäufern, die noch nicht einmal wissen, wie man sie einschaltet. Und genau da werden sie demnächst auch verenden, genau wie jetzt die Squeezeboxen.

Gruß Frank
"Man will halt immer das, was die anderen haben, bis dann alle das haben, was die anderen haben und dann wollen alle wieder das, was dann keiner mehr hat"

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