Reparatur ELA-Vorverstärker ESV 400

Receiver und (Vor-)Verstärker außerhalb atelier/regie/slim line
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henry2
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Reparatur ELA-Vorverstärker ESV 400

#1 Beitrag von henry2 » 01.08.2021, 16:31

Erste Durchsicht:

Dieser ESV 400 wurde schon einmal einer Reparatur unterzogen. Alle 4 Elkos im angebauten Netzteil wurden bereits einmal erneuert; sie sind i.O., noch nicht sehr alt und können daher im Gerät verbleiben. Ob die 4 Elkos aus der ursprünglichen Bestückung erneuerungsbedürftig waren, ist fraglich, denn alle anderen 70 Elkos der Originalbestückung auf den Steuerverstärker-, Phono- und Mikrofonverstärkerplatinen ließ der Reparateur unberührt. Deren Erneuerung ist nämlich eine echte Fleißarbeit, wie man sie ja auch vom CSV 1000 kennt.

Damit man an die Bauteile auf der Vorverstärkerplatine gut herankommen kann, wurde sie vom Chassis-Frontblech getrennt. Bei der Firma Braun wurde dieser (ELA-)Vorverstärker, wie auch beim CSV 1000, "Steuerverstärker" genannt.)

Frontblech mit Tasten und Kontrolllämpchen:
k-Chassisblech_Front.JPG
Ansicht der Vorverstärkerplatine von oben vor der Instandsetzung:
k-Vorher_v.oben.JPG
Ansicht der Vorverstärkerplatine von unten vor der Instandsetzung:
k-Vorher_v.unten.JPG
Ich vermute eher, dass nach dem Ersetzen der Elkos im Netzteil der Verstärker immer noch keinen Mucks von sich gab, wonach das Teil in die Ecke gestellt und irgendwann mal als defekt verkauft wurde.

Maßnahmen:

1. Als Erstes sollten die beiden Betriebsspannungen (10V und 30V) für die Relaissteuerung und die Versorgung des Vorverstärkers vorhanden sein. Beide Spannungen standen auf 0V. Die Netzsicherung war O.K. - Ursache war ein versteckter Drahtbruch in der Zuleitung zur Primärwicklung des Netztrafos. Nach Beseitigen des Fehlers standen beide Versorgungsspannungen mit Ihren Sollwerten wieder zur Verfügung.

Netzteil und Relaisplatine:
k-Rel.-Pl.+Netzteil.JPG
2. Fleißarbeit... Wie es sich immer wieder auch beim CSV 1000 zeigt (der Vorverstärker ist bei beiden Geräten identisch), können schon wenige ganz- oder halbdefekte Elkos im Vorverstärker für erhebliche Dysfunktionen sorgen. Da das Alter der Elkos ein halbes Jahrhundert schon um einiges überstieg, lautete das Motto: „Alles muss raus“, zumindest was die Elkos anbetrifft.

Ein Nachmessen aller, wie schon bemerkt 70 ersetzten Elkos, wies erstaunlicherweise nur zwei komplett defekte Exemplare aus, deren Kapazität auf nur noch wenige nF abgesunken war. Allerdings war der Verlustfaktor tanδ bei fast allen Elkos auf inakzeptable 0,3 bis z.T. sogar deutlich über 1 angewachsen.

Vorverstärkerplatine nach der Instandsetzung:
k-Nachher_unten.JPG
3. Nach dem Zusammenbau wurden die Funktionen des ESV 400 überprüft und die Trimmpotentiometer auf der Platine des Steuerverstärkers auf Solleinstellung gebracht.

4. Nun sollte noch der Reserve-Eingang des Verstärkers aktiviert werden, denn auf der 12poligen Federleiste waren nur „Radio“, „Phono“, „Mikrofon“ und „Tonband“ angeschlossen, und damit war sie voll belegt. Für den gerade heute benötigten Reserve-Eingang gab es auf der Eingangs-Leiste keine Anschlussmöglichkeit mehr.

In der Herstellerbeschreibung heißt es dazu aber: "Auf Wunsch können auch andere hochpegelige Tonträger, wie z.B. Gong oder Tonfilmgerät angeschlossen werden. Dafür ist ein Eingang „Reserve“ vorhanden." Eben nicht!

Nach einigem Suchen fand ich ein abgeschirmtes Leitungspaar, das aus den Tiefen des Eingangsbausteins (Winkelblech) kam und dessen Ende sauber abisoliert, verzinnt, aber noch nie irgendwo angeschlossen war. Es steckte in einem Stück Isolierschlauch, der zusammen mit anderen Leitungen unter einer Kabelschelle am Chassis befestigt war. Eine Überprüfung ergab, dass es sich tatsächlich um die Leitung des Reserveeingangs handelte. Nur, wohin nun damit?

Die Entscheidung fiel nicht schwer. Die Federleiste mit den Vorverstärker-Eingängen befindet sich auf der Rückseite rechts des ESV 400 (von hinten gesehen). Auf der linken Rückseite des Geräts ist eine ebensolche 12polige Federleiste vorgesehen, auf der jedoch nur der Verstärkerausgang aufgelegt war. Es bot sich an, den eben neu gefundenen Reserveeingang auf freien Kontakten der fast leeren Federleiste aufzulegen. Nach Rücksprache wurde das auch so vereinbart. Die dazugehörige Messerleiste mit der NF-Leitung zur Endstufe erhielt nun eine zweite Anschlussleitung für den Reserve-Eingang.

Federleiste rechts, von unten:
k-Federleiste_rechts_v.unten.JPG
Federleiste links, von unten:
k-Federleiste_links_v.unten.JPG
Gesamtansicht von unten:
k-ESV400_kpl._v.unten.JPG
Die bisher versteckte abgeschirmte Leitung für den Reserve-Eingang war zu kurz, um sie direkt an der Federleiste anschließen zu können. Auf der Oberseite der beiden NF-Ausgangstrafos befinden sich jedoch noch genügend freie Lötstützpunkte, um die Leitung dort anzulöten und sie von dort aus mit einer anderen abgeschirmten Leitung bis zur Federleiste weiterzuführen. (Der NF-Ausgang des ESV 400 wird über zwei Kleinsignaltrafos ausgekoppelt, um bei Bedarf auch unterschiedliche Endstufen massefrei ansteuern zu können.)

Gesamtansicht von oben:
k-ESV400_kpl._v.oben.JPG
Funktionstests:

5. Natürlich wurde jeder Eingang geprüft. Sie funktionierten nun alle bis auf einen, nämlich den neu gefundenen Reserveeingang. Hier fehlte der rechte Kanal, der linke war O.K.
Die Signalverfolgung, begonnen am Anschlussstecker, ergab eine fehlerfreie Funktion bis hinter den Kurzschlussstecker. Am Relais D, welches den Reserveeingang schaltet, war jedoch für den rechten Kanal Schluss. Ein Säubern der entsprechenden Kontakte mittels einem mit Kontaktspray getränkten Papierstreifen zeigte keinen Erfolg. Erst die vorsichtige Bearbeitung der Kontaktoberflächen mit ganz feinem Schmirgelpapier behob das Kontaktproblem. Anschließend nochmal mit Kontaktreiniger behandelt, und die Sache war erledigt. Obwohl ich bisher nun schon eine ganze Reihe CSV 1000 instandsetzte, habe ich noch nie erlebt, dass eines dieser Relais Kontaktprobleme hatte.

Am Ende der Arbeiten wurde wie immer auch dieses Gerät in all seinen Funktionen nochmals überprüft und abschließend mit einem O.K. versehen. Es war interessant, sich einmal mit einem so raren Gerät beschäftigen zu können, auch wenn es reichlich Wohlbekanntes enthält.

Ich habe diesen Beitrag mit etwas mehr Bildern als üblich versehen, da man eine ELA-Komponente von Braun ja nicht jeden Tag zu sehen bekommt.

Viele Grüße

Heinrich

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Uli
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Re: Reparatur ELA-Vorverstärker ESV 400

#2 Beitrag von Uli » 01.08.2021, 16:41

Top geschrieben, danke für die schönen Bilder!
:spitze:

Gruß Uli

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Paparierer
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Re: Reparatur ELA-Vorverstärker ESV 400

#3 Beitrag von Paparierer » 01.08.2021, 17:33

Wow.
"Faszinierend" würde der spitzohrige Freund sagen...
Toll, Heinrich! :respekt:

Gruß, Gereon
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meistens ist es was mechanisches...
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andreas schnadt
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Re: Reparatur ELA-Vorverstärker ESV 400

#4 Beitrag von andreas schnadt » 01.08.2021, 18:46

Wieder einmal ein ganz toller Beitrag von Sir Henry!
Gratuliere!
Herzliche Grüße Andreas
Viel Freude beim Hören !

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