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Beitrag
von henry2 » 30.01.2016, 01:52
Wow bernie,
jetzt hast Du (etwas weiter oben) aber mal richtig Dampf abgelassen. Die Geschichte mit dem 12 Ω-Widerstand vor dem Gleichrichter scheint Dich ja - vielleicht sogar schon seit geraumer Zeit - mächtig beschäftigt zu haben.
Ich erlaube mir den Versuch, Dich wieder ein bisschen zu besänftigen, indem ich der Reihe nach auf Deinen Beitrag eingehen möchte. Vielleicht regt das ja auch Michael noch etwas zu neuen Überlegungen an.
Was den 270 Ω-Widerstand (R802) angeht, so wurde er bereits - wenn auch nicht mittels Keramikhülsen - von Haus aus "luftig" montiert. Auch frühere Platinenversionen verfügten schon über Lüftungslöcher über dem Widerstand. So auch Julius' Regie 510, wie auf dem Foto ersichtlich ist. Es sind die Lüftungsschlitze im Gehäuseboden, die erst bei späteren Gerätegerätegenerationen dieses Typs vorgesehen wurden. Natürlich übernahm man diese Schlitze dann auch beim Regie 520. Sie sollten ja gerade an dieser thermisch stark belasteten Stelle für eine bessere Ventilation sorgen.
Was den sogenannten Ersatzwiderstand für den Selengleichrichter angeht, bin ich etwas anderer Meinung als Du. Er hat - wie Du schriebst - eine Wirkung, aber ebenso hat er natürlich auch eine Funktion, und deshalb gehört er auch in diese Schaltung.
Du legst in Deinem Beitrag großen Wert auf die Erklärung, was ein parasitärer Widerstand ist (ich würde ihn bei einem Gleichrichter eher als inhärenten Widerstand bezeichnen), schreibst aber - hoffentlich wider besseren Wissens - dass ein Selengleichrichter "Strom verheizt". Andererseits hast Du recht damit, dass der relativ hohe Innenwiderstand eines Selengleichrichters weder nötig noch vorteilhaft ist und man deshalb nach einem Gleichrichtertausch auch nicht noch einen Widerstand hinzufügt. Allerdings wird hier der Gleichrichter nicht getauscht, sondern durch einen anderen mit völlig unterschiedlichen Parametern ersetzt. Nur deshalb wird dieser Widerstand hinzugefügt.
Du schriebst (Zitat): "Die Netzteilregelung für Tuner/NF-Verstärker braucht den Vorwiderstand nicht. Die 5% Überspannung (220V/230V) kann es wegstecken, die zusätzlich Leistung durch Wegfall des parasitären Widerstandes auch. Wenn nicht, wäre die Schaltung an anderer Stelle umzubauen, z.B. der Regeltransistor verstärken oder besser zu kühlen."
Das ist richtig. Ein Umbau der stabilisierten Spannungsversorgung wäre zwar eine Möglichkeit, jedoch ist sie einerseits aufwendiger und andererseits würde das Gerät noch mehr an Originalität einbüßen. Letzteres wäre dem einen oder anderen sicherlich gleichgültig, bestimmt aber nicht jedem (mir z.B. nicht).
Weiteres Zitat: "Da der Vorwiderstand immer einen Anteil des gesamten durchfließenden Stroms in Wärme umsetzt, anders als die Regelung nicht nur die wegzuregelnden Spitzen, verbrät die Schaltung so letztlich auch mehr Leistung."
Das ist nicht richtig. Sowohl der Sieb- und Vorwiderstand R802 als auch der Längstransistor setzen den gesamten durch sie hindurchfließenden Strom (mal der Spannung, die an ihnen abfällt) in Wärme um. Beim R802 sind das 2,44 W und beim T801 ein gutes halbes Watt. Die Regelung, d.h. der Längstransistor regelt nicht nur die Spitzen weg, sondern er wird permanent vom angegebenen Betriebsstrom von 95 mA durchflossen, wobei er die nach R802 noch anstehenden gut 29 V auf stabile 24 V im Dauerbetrieb 'runterregeln muss.
Die Schaltung mit dem Vorwiderstand vor dem Siliziumgleichrichter verbrät auch nicht mehr Leistung als bisher, denn zuvor wurde diese vom Selengleichrichter verbraten. Der Vorwiderstand dient lediglich dazu, den höheren Innenwiderstand des Selengleichrichters nachzubilden, zu sonst nichts. Der Ladeelko C803 "sieht" also in etwa den gleichen Ladewiderstand wie beim Selengleichrichter.
Ich bin ja nicht der Einzige, der sich zu diesem Thema Gedanken machte. Viele ältere - meist Röhrengeräte - sind in ihrem Netzteil mit einem Selengleichrichter ausgestattet, den man im Reparaturfall selbstverständlich durch einen Siliziumgleichrichter ersetzt. Oftmals würde aber dann die Gleichspannung auf unzulässig hohe Werte ansteigen, weshalb man sie daher reduzieren muss. Bei Geräten mit einem bei allen Betriebszuständen annähernd gleich hohen Stromverbrauch kann man das mit einem ebensolchen Vorwiderstand realisieren. Z.B. bei Verstärkern, die im AB- oder B-Betrieb bei unterschiedlicher Leistungsabgabe eine unterschiedliche Stromaufnahme aufweisen, ist das mit einem einfachen Vorwiderstand nicht zu machen. Es wurden deshalb zeitgemäße elektronische Halbleiterschaltungen entwickelt, welche die Kennlinie eines entsprechenden Selengleichrichters nachbilden und an solchen Stellen eingesetzt werden können. Selbstverständlich wird auch bei dieser Schaltung die Spannungsdifferenz mal dem hindurchfließenden Strom (wie beim Selengleichrichter) in Wärme umgewandelt.
Du argumentierst mehrfach mit einem höheren "Verbraten von Leistung" durch diese Schaltung. Das mag an dieser einen Stelle, nämlich dem Vorwiderstand selbst zutreffen. Wenn er nicht da wäre, würde er auch keine elektrische Leistung verbraten. Aber:
Durch die höhere Versorgungsspannung, die ohne den Vorwiderstand ins Gerät eingespeist wird, fließt natürlich auch ein höherer Strom, denn der Innenwiderstand des Geräts wird ja dadurch nicht größer. Das heißt, dass diese Mehrleistung, die zweifelsfrei vorhanden ist, nun eben auf nachfolgende Komponenten verteilt verbraten wird. Unter'm Strich ist somit die Gesamt-Verlustleistung des Geräts ohne diesen Vorwiderstand höher als mit ihm. Absolut gesehen ist diese Betrachtung - was den Leistungsvergleich angeht - lächerlich, denn wir sprechen hier über sehr wenige Watt.
Es ist richtig wie Du schriebst, dass der Vorwiderstand prinzipiell das Aufladen der Siebelkos verlangsamt. (Zuerst kommt aber der Ladeelko, der zweite ist dann der Siebelko.)
Nicht richtig ist aber, dass dadurch das NT in Schwingungen versetzt werden könnte. Wenn das der Fall wäre, würden alle "weich" konzipierten Stromversorgungen von Haus aus zum Schwingen neigen.
Es entsteht auch keine "Resonanzfrequenz des Vorwiderstandes mit den Ladeelkos", allenfalls eine Zeitkonstante. Die hat aber in diesem Fall weder mit einer Resonanzfrequenz noch mit etwaigen Schwingungen zu tun. Es lässt sich deshalb aus diesen beiden Parametern auch keine Resonanzfrequenz errechnen.
Eine Schwingneigung wäre lediglich innerhalb der nachgeschalteten Regelstrecke zu befürchten. Nicht aber wegen des Vorwiderstandes am Siliziumgleichrichter, sondern wegen möglicher Mitkopplung in der Regelstrecke T802/T801, die allerdings erst bei mittleren bis höheren Frequenzen im KHz-Beeich auftreten würde. Diese Schwingneigung wird jedoch durch C810 unterbunden.
Was waren also im Fall "Ersetzen des Selengleichrichters im Regie 510" die Beweggründe für den Einsatz eines Vorwiderstandes? Es waren mehrere:
1. Ohne den Vorwiderstand vor dem Siliziumgleichrichter würde R802, der ohnehin schon über die Maßen belastet ist, durch die höhere Spannung eine noch höhere Leistung verbraten müssen und dadurch seine Umgebung noch stärker aufheizen.
2. Das Stereolämpchen würde mit ca. 8% höherer Spannung beaufschlagt, was mit einer deutlichen Reduzierung seiner Lebensdauer einher ginge. Laut Osram bewirkt eine dauernde Überschreitung der Nennbetriebsspannung einer Glühlampe um 5% eine Halbierung ihrer Lebensdauer, wohingegen eine dauernde Unterschreitung der Nennbetriebsspannung um 5% ihre Lebensdauer verdoppelt. Ihr Lichtstrom verändert sich dabei nur um etwa ±10%.
3. Wichtiger ist aber der Umstand, dass beim Einsatz dieses Vorwiderstandes der Nennstrom der Sicherung Si801 nicht erhöht werden muss. Ohne Vorwiderstand wäre das aber erforderlich, da sie ansonsten wegen des höheren Einschaltstromstoßes auslösen würde. Ein unnötig erhöhter Sicherungsnennstrom bedeutet aber im Fehlerfall ein höheres Schadensrisiko.
Das sind zwar alles mehr oder weniger kleine Vorteile, die der Vorwiderstand bewirkt, aber es sind welche. Und es entstehen dadurch keinerlei Nachteile.
Der Betrieb ohne Vorwiderstand kehrt all diese kleinen Vorteile in kleine Nachteile um. Er bietet keinerlei Vorteile, sondern ausschließlich Nachteile.
Die Stromversorgung wurde vom Hersteller mit diesem nach heutigen Maßstäben hochohmigen Gleichrichter konzipiert. Das alleinige Ersetzen des Gleichrichters durch einen erheblich niederohmigeren Typ bringt keine Verbesserung; ohne Ersatzmaßnahme hingegen nur eine Verschlechterung.
Letztes Zitat: "Diese nachteiligen Effekte des Vorwiderstandes sind gering und wirken sich in der Schaltung nicht merklich aus, aber sie sind da. Jedoch einer Schaltung ein unnötiges Bauteil hinzuzufügen, weil es ihre Funktion nur unwesentlich behindert, kann ja wohl kein ernst gemeintes Argument sein, sondern ist sinnfreies Herumbasteln als reiner Selbstzweck. Genau das läuft allen Prinzipien der Schaltungsentwicklung zuwider - dafür schnurstracks in den esotherischen Bereich."
In diesem Absatz lassen sich wieder einige Bemerkungen finden, die aber - denke ich - im Vorangegangenen hinreichend behandelt und entkräftet wurden. Das hinzugefügte Bauteil ist weder unnötig noch behindert es die Funktion der Schaltung; nicht einmal unwesentlich.
Im Weiteren bezeichnest Du diese Maßnahme als sinnfreies Herumbasteln aus reinem Selbstzweck. Das ist schon etwas starker Tobak, besonders wenn man berücksichtigt, dass sich Deine Argumente als nicht sehr tragfähig, sondern eher als widerlegbar erwiesen.
Welche Prinzipien der Schaltungsentwicklung kennst Du denn? Eine davon sollte vielleicht lauten: "Du sollst die Eigenschaften der zur Verfügung stehenden Komponenten und - falls zutreffend - eine schon vorhandene Schaltungsumgebung mitberücksichtigen."
Wenn aber auf den ersten Blick vielleicht nicht alles wie im Lehrbuch aussieht, so rechnet das nur jemand rasch dem esoterischen Bereich zu, der die Aufgabenstellung und -lösung gedanklich etwas zu kurz fasst.
Gruß Heinrich