Umbau Lautsprecher L 710

Gewerbliche Umbauten müssen als solche gekennzeichnet werden!
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Salamander
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Umbau Lautsprecher L 710

#1 Beitrag von Salamander » 27.01.2021, 15:20

Hallo zusammen,

ich habe mir vor ein paar Jahren ein Paar L 710 gekauft inklusive der legendären Standfüße. Optisch mit einigen kleineren Macken und deutlicher Patina, aber sie haben funktioniert und die Ständer waren dabei.

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Der folgende Hörtest an verschiedenen Verstärkern (CSV 510, CSV 300 und T+A R 1260 R) verlief allerdings eher ernüchternd: schlabbrige Bässe, verhangene Mitten und dumpfe Höhen. Auch durch verschiedene Lautsprecherpositionen änderte sich nicht viel. Allerdings glaube ich , dass diese Lautsprecher im Top-Zustand deutlich besser klingen als meine. Nach dem Entfernen des Lochgitters war auch zu sehen warum: bei den Kalottenmittel- und Hochtönern hatte sich die dämpfende Beschichtung weitgehend aufgelöst!
Angeregt durch einen Artikel im renommierten Selbstbaumagazin "Hobby Hifi" (5/2009) entschloss ich mich dazu, die gesamte Technik rauszuschmeissen und durch aktuelle zu ersetzen. In einem späteren Heft (5/2013) fand ich dann den genau dazu passenden Bauvorschlag: Eine Zwei-Wege-Box, geschlossen, mit Hochpass (= Kondensator im Signalweg zum Tieftöner, der die Frequenzgangüberhöhung im Bereich der Resonanzfrequenz aufgrund des eigentlich zu kleinen Gehäuses egalisiert und den Bassbereich nach unten ausdehnt). Wichtig ist nämlich, dass das Innenvolumen und die Größe bzw. die Breite der Schallwand mit dem Bauvorschlag weitgehend übereinstimmen.

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Also bestellte ich die Visatonlautsprecher ( W 250 S 4 Ohm und G 25 FFL mit WG 148 R ) und die Frequenzweichenbauteile bei meinem Händler. Die folgenden Arbeitsschritte waren dann: Entfernen der Chassis, Ausräumen der Dämpfungswolle, Aussägen der Schallwand, Ausbau der Frequenzweiche.

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In das nun leere Gehäuse wurde als erstes eine neue Auflage für die zukünftige Schallwand eingeleimt (Vierkantleisten mit 15 mm). Als nächstes kamen die Horizontalversteifungen dran, die beim Original nicht vorhanden sind, aber das Gehäuse deutlich beruhigen und weniger resonanzanfällig machen, gerade bei forcierter Lautstärke.

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Die Frequenzweiche wurde zweiteilig ausgeführt, so das die Platinen gut zwischen die Horizontalversteifungen passten. Glücklicherweise habe ich einen Bruder, der Elektroingenieur und Lötkolbenvirtuose ist. Anschließend kam die Bedämpfung dran, die nach Menge und Position gemäß den Vorgaben des Bauvorschlags eingebracht wurde.

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Die letzte Herausforderung war die Herstellung der neuen Schallwand (MDF 19mm) , speziell die Einfräsungen der Chassis mittels Oberfräse. Diese sind für einen glatten Frequenzband äußerst wichtig. Da ich noch nie mit einer Oberfräse gearbeitet hatte, musste ich mich erst mal an einem Spanplattenrest ausprobieren. Aber recht schnell hatte ich den Bogen raus. Außerdem wurden noch etliche kleine Vertiefungen am Rand mit dem Forstnerbohrer gemacht, worin dann tablettengroße Neodymmagnete festgeklebt wurden, die dann die runderneuerten Lochgitter halten sollten. Die Schallwand wurde schwarz gebeizt und die Magnete mit kleinen runden Filzen abgedeckt.

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Jetzt war nur noch die Schallwand einzuleimen, die Lautsprecher an die Frequenzweiche anzulöten und diese dann festzuschrauben. Auch die Verkabelung wurde verbessert: statt der mickrigen DIN-Stecker und klingeldrahtdünnen Zuleitungen habe ich Einpressbuchsen, Bananenstecker und ein hochwertiges Kabel von Reckhorn benutzt. Ein leidiges Thema waren noch die Frontgitter: glücklicherweise hatten sie kaum Dellen, aber bis ich das verhärtete Moosgummi bzw. Styropor entfernt hatte, vergingen einige Tage mit Abbeizer und Spiritus. Die originalen Metallstäbe wurden anschließend wieder eingeklebt. Mit neuen BRAUN-Logos an neuer Stelle machen die runderneuerten L 710 optisch schon mal einen relativ guten Eindruck, obwohl es auch hier noch Verbesserungsbedarf gibt:

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Als krönender Abschluss wurden die Boxen nun ausgiebig getestet, zuerst am T+A-Verstärker und T+A SACD Player. Was soll ich sagen? ein echter Quantensprung !
Satte Bässe schmeicheln das Zwerchfell, die Mitten klar und deutlich, die Höhen feinziseliert und niemals aggressiv. Das bleibt auch bei forcierter Lautstärke so !
Dann wurden die Boxen an meinen BRAUN-Verstärkern getestet und auch hier: super Klang. Jetzt können die Verstärker erst mal zeigen, was in Ihnen steckt.
Nach einigem Hin-und Herrücken haben sie jetzt in meinem BRAUN-Studio die richtige Position gefunden, wo der Klang wirklich super ist.
Natürlich war der handwerkliche und finanzielle Aufwand nicht unerheblich, aber für mich hat er sich mehr als gelohnt.

Vielleicht fühlt sich der eine oder andere durch diesen Artikel angeregt. Es würde mich freuen, auch wenn es der "hehren Lehre" vielleicht widerspricht.

Lothar

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Re: Umbau Lautsprecher L 710

#2 Beitrag von hannes » 27.01.2021, 17:12

Hallo Lothar,

Interessantes Projekt und handwerklich gut gemacht.
Besitze auch ein Paar L710, seit 1974, damals fabrikneu.
Bisher scheinen sie noch ok, aber der Zahn der Zeit...
Da die Original-Lautsprecher wohl kaum noch zu bekommen sind, ist Dein
Umbau eine echte Option.

Gruß
hannes

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Re: Umbau Lautsprecher L 710

#3 Beitrag von Paparierer » 27.01.2021, 17:44

Hi Lothar,
Respekt für Deinen Boxen-"Neubau-im-Braun-Gehäuse"!
Da war ja wirklich einiges zu tun - und da Dir das Ergebnis passt - alles gut.

Diese Option, wie Hannes es nennt, ist aber sicherlich nicht für jeden,
das handwerkliche Geschick ist halt nicht so weit verbreitet;
und nicht immer ist das "aktuelle" besser als das "alte"... :zwink:

Grundsätzlich ist die allererste Option, wenn etwas hörbar mit den Lautsprechern nicht stimmt,
die Kontaktaufnahme mit Rainer [Hebermehl]. Findet man im Internetz und gibz auch hier im Forum.

Gruß, Gereon
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meistens ist es was mechanisches...
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Re: Umbau Lautsprecher L 710

#4 Beitrag von ütronics » 29.01.2021, 17:12

Hallo Lothar,

solide handwerkliche Arbeit, meinen Respekt :respekt:
Es freut mich für dich, wenn sie dir auch klanglich gefallen.
Das kann ich allerdings von der Theorie her nicht ganz nachvollziehen. Ein solch großes Basschassis, welches auch noch für eine Bassreflexbox ausgelegt ist, ist m. E. in einem 25-Liter-Gehäuse überdimensioniert. Durch das eingeschlossene Luftvolumen erhöht sich die Eigenresonanz (hier 33 Hz) des Tieftonlautsprechers deutlich. Unterhalb der Eigenresonanz fällt jedoch die Schallleistung rapide ab. Das kann auch eine Frequenzweiche nicht korrigieren. Die Empfehlung von Visaton lautet auch von 50 Liter an aufwärts in einem Bassreflex (!) Gehäuse.

Das sind nur meine Überlegungen und jedes Hörempfinden ist auch subjektiv. Aber auf jeden Fall ist das ein schöner Umbau.

Gruß Udo

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Re: Umbau Lautsprecher L 710

#5 Beitrag von Salamander » 30.01.2021, 17:14

Hallo Udo,

vielen Dank für Deine Antwort. Ja, ich gebe Dir Recht, dass der Visaton-Tieftöner seine optimale Tiefbass-Ausbeute in einem 65-Liter-Bassreflexgehäuse (laut HobbyHifi) erbringt. Aber:
Ich zitiere aus HH 5/2013, S.36:
"In Verbindung mit der niedrigen Resonanzfrequenz von 32 Hertz gelingen Bassreflexabstimmungen mit Grenzfrequenzen bis in die Region um 30 Hertz. Das hierfür erforderliche Gehäusevolumen fällt mit 65 Litern gerade so groß aus, dass eine nicht zu große Standbox entsteht.
Ein deutlich kompakteres Gehäuse ist durch den Verzicht auf den rückwärtig abgestrahlten Schall möglich: Für ein geschlossenes Gehäuse mit Hochpasskondensator reichen bereits 17 Liter, um zu einem optimal ausgewogenen Frequenzgang zu gelangen. Die untere Grenzfrequenz liegt dann knapp unter 60 Hertz. Bei geschickter Ausnutzung der Wechselwirkungen zwischen Lautsprecherchassis, Gehäuse und Frequenzweiche gelingt in einem etwas größeren Gehäuse sogar eine untere Grenzfrequenz deutlich unter 50 Hertz. Mit dem Bauvorschlag "Chess" gelang eine untere Grenzfrequenz von 46 Hertz - bei 25 Litern Gehäusevolumen."
Genau das war es, was ich wollte: einen insgesamt sehr linearen und ausgewogenen Frequenzgang und das aus nur 25 Litern mit ordentlichem Punch im wunderschönen klassischen BRAUN-Gehäuse.

Viele Grüße
Lothar

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Re: Umbau Lautsprecher L 710

#6 Beitrag von Salamander » 30.01.2021, 17:30

Hallo Gereon,

vielen Dank für Dein Lob. Sicherlich ist bei Problemen mit den BRAUN-Lautsprechern die Kontaktaufnahme mit dem Lautsprecherprofi Rainer Hebermehl die erste Option. Das sehe ich ganz genau so.
Da ich aber schon etliche Lautsprecherboxen gebaut habe (natürlich immer nach Bauvorschlägen von Profis), wollte ich einfach mal sehen und natürlich auch hören, ohne Rücksicht auf Zeit und Kosten, was man mit so einem wunderschönen Gehäuse wie der L710 so anstellen kann.

Viele Grüße
Lothar

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Re: Umbau Lautsprecher L 710

#7 Beitrag von ütronics » 30.01.2021, 17:34

ok, den Beitrag über die "Chess" habe auch gelesen. Konnte es, wie gesagt, nicht nachvollziehen.
Habe selbst früher etliche Boxen in geschlossener Bauweise gebaut und dabei immer das Problem mit der Erhöhung der Eigenresonanz gehabt. Vielleicht ist es ja durch geschickte Auslegung der Frequenzweiche gelungen, die Anhebung der Bässe im oberen Bereich zu unterdrücken und so einen ausgeglichenen Frequenzverlauf hinzukriegen.
Hätte mir gerne mal dein Projekt angehört, aber dafür liegen unsere Wohnorte zu weit auseinander.

Schönen Abend noch
Udo

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Re: Umbau Lautsprecher L 710

#8 Beitrag von Salamander » 30.01.2021, 17:39

Hallo Hannes,

vielen Dank für Deine Antwort.
Es freut mich sehr, dass Dir der Umbau gefallen hat, aber es war auch schon eine sehr aufwendige Sache. Wie Gereon schon richtig angemerkt hat, ist bei Lautsprecherproblemen sicherlich Rainer Hebermehl die erste Anlaufstation. Ich habe zwar bisher noch nicht mit ihm zu tun gehabt, aber ich glaube, da ist man in besten Händen.

Viele Grüße
Lothar

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Re: Umbau Lautsprecher L 710

#9 Beitrag von Salamander » 01.02.2021, 17:05

Hallo Udo,

das Zauberwort bei der "Chess" heißt ja "GHP", also geschlossen mit Hochpass. Eine Bauweise die erst seit einigen Jahren bekannt ist und die es durch einen entsprechend dimensionierten Kondensator im Signalweg zum Tieftöner ermöglicht, das Gehäusevolumen kleiner zu wählen, ohne Einbußen an Tiefbass oder Linearität. Auch Visaton nutzt übrigens diese Bauweise beim Bauvorschlag "La Belle".
Auch bei der herkömmlichen Art, geschlossene Gehäuse zu bauen, sind ja die beiden Parameter VAS und QTS des zu verwendenden Lautsprechers von entscheidender Bedeutung, um ein Gehäuse mit der optimalen Resonanzgüte von 0,7 zu bauen. Wenn das nicht beachtet wird, dann, und da hast Du vollkommen Recht, gibt es unerwünschte Erhöhungen der Eigenresonanz und das heißt Frequenzgangbuckel, die mehr oder weniger störend sind.
Ja schade, hättest Dir (nach Corona) die Boxen gerne mal anhören können.

Viele Grüße
Lothar

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