LV 720 - Generalüberholung

Die aktiven und passiven HiFi-Lautsprecherboxen
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Rudolf
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LV 720 - Generalüberholung

#1 Beitrag von Rudolf » 28.12.2020, 16:12

Werte Braun-Freunde,

ich hege ein Pärchen LV 720 sowie den zugehörigen Preceiver CES 1020 in ausgezeichnetem, unverbasteltem Zustand.

Wo meint ihr, kann ich diese Anlage kompetent "zukunftssicher" machen lassen? Ich wohne in der Nähe von Köln.

Viele Grüße
Rudolf

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fnerstheimer
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Re: LV 720 - Generalüberholung

#2 Beitrag von fnerstheimer » 14.01.2021, 13:32

hi Rudolf, was meinst Du mit zukunftssicher?

Gruß Frank
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Rudolf
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Re: LV 720 - Generalüberholung

#3 Beitrag von Rudolf » 14.01.2021, 23:08

Hallo Frank,

da ich davon ausgehe, dass die Anzahl der Spezialisten, die diese Komponenten reparieren können, nicht zunehmen wird, würde ich sie gerne auf einen technischen Stand bringen lassen, der ihnen noch viele Jahre Ausfallsicherheit garantiert. Ich denke da vor allem an den Austausch der einschlägig bekannten „Übeltäter“.

Viele Grüße
Rudolf

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Re: LV 720 - Generalüberholung

#4 Beitrag von fnerstheimer » 20.01.2021, 16:32

an der LV720 ist nichts dran, was in Zukunft Probleme machen wird. Die Elektronik ist voll diskret aufgebaut, und diskrete Bauteile wird es immer geben - wenn nicht die Originale, dann auf jeden Fall Vergleichstypen. Wenn die Boxen noch einwandfrei funktionieren, dann würde ich zwei Dinge tun - dafür sorgen, dass sie nie in Räumen mit schwankender Temperatur/Luftfeuchtigkeit gelagert werden wie z.B. Keller, und, dass sie regelmäßig benutzt werden.

Ich schraube jetzt seit bestimmt 30 Jahren an alter Unterhaltungselektronik, und habe bis heute noch keine allgemeingültigen Regeln aufstellen können, wie lange Bauteile halten. Ich habe schon Netzteile gesehen, die sich nach zwei Jahren in Rauch aufgelöst haben, und ich kenne Vorkriegsradios, die noch mit dem ersten Netzteilelko spielen. Was ich sicher weiß, ist, dass a) sich die Lagerung extrem auf die Haltbarkeit auswirkt, und b) beim beliebten "Bauteileweitwurf" eher die Gefahr besteht, sich zusätzliche Fehler einzubauen, als die Haltbarkeit sicher zu verlängern. Benutze die Dinger, und wenn es Deinem Gefühl gut tut, suche Dir jemanden, der Dir im Zweifelsfall weiterhelfen kann - davon gibt es immer noch mehr als genug, und im Zuge des Revivals der alten HiFi-Technik ist es heute sogar einfacher als vor zehn Jahren, eine Reparaturwerkstatt zu finden.

Gruß Frank
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Re: LV 720 - Generalüberholung

#5 Beitrag von Rudolf » 21.01.2021, 08:55

Hallo Frank,

vielen Dank für deine Antwort!

Was du allerdings hier zur LV 720 geschrieben hast, hat mich nachdenklich gemacht. Es ist dies das zweite Pärchen LV 720, das ich bislang besessen habe. Vom ersten hatte ich mich aus Platzgründen getrennt, es aber später doch wieder bereut. Glücklicherweise bot sich dann die Gelegenheit, ein fast neuwertiges Paar zu erwerben. Diese habe ich nur einmal angehört (sie klangen aus dem Gedächtnis allerdings nicht so gut wie das erste Paar) und dann wieder eingelagert. Ich habe immer noch die Vision, sie nach dem altersbedingten Umzug in eine Wohnung als Hauptlautsprecher zu betreiben. Momentan habe ich ein eigenes Musikzimmer und höre mit einem "hässlichen" Studiomonitor Klein + Hummel O 410. Den werde ich bestimmt nicht mitnehmen dürfen. :(

Insofern würde mich natürlich über die Möglichkeit zu einer klanglichen Aufwertung der LV 720 freuen. Ist es denn tatsächlich so, dass die passive Varianten, also die LV 710 bzw. LV 715, besser klingen? Ich hatte mal die LV 715 und fand sie in der Tat sehr gut, aber nicht unbedingt besser klingend als die LV 720.

Viele Grüße
Rudolf

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Re: LV 720 - Generalüberholung

#6 Beitrag von fnerstheimer » 21.01.2021, 09:25

bei den passiven Lautsprechern hast Du die freie Wahl, welchen Verstärker Du anschließt. Bei der aktiven Variante musst Du mit den eingebauten Verstärkern leben, und die sind wirklich unterste Schublade, sorry. Ich denke, den wirklich guten Lautsprechern ist es zu verdanken, dass die Dinger überhaupt noch halbwegs erträglich klingen.

Ein interessantes Projekt wäre sicher, für die LV720 ein modernes Verstärkermodul zu konstruieren. Dafür habe ich aber nicht die nötige Zeit und Motivation, und ich bin auch bei alten Sachen eher der Originalitäts-Fan.

Man muss halt wissen, was man will. Ich gebrauche immer den "Uhrenvergleich", um zu erklären, was ich meine. Eine moderne Plastik-Smartwatch stellt von den Funktionen und der Präzision jeden alten mechanischen Chronografen in die Ecke. Um die Faszination zu erklären, die ein alter Chronograf nach wie vor ausstrahlt, macht es keinen Sinn, die technischen Eigenschaften aufzuführen, damit verliert die alte Uhr immer, und kein Chronografenliebhaber würde so eine besser/schlechter Diskussion führen. Bei alter HiFi-Technik hingegen fällt es unheimlich vielen Leuten schwer, sich einfach nur an der Athmosphäre zu freuen, die alte Kisten ausstrahlen, und das "Scoring" einfach mal auszublenden. Mir gefällt an altem Zeug u.a., dass die Sachen eben nichts mehr beweisen müssen. Mit einer alten Heckflosse kann ich auf der Autobahn den Verkehr behindern, und die anderen freuen sich noch und winken mir beim Überholen zu. Ich habe vor einiger Zeit irgendwo einen Satz gelesen, der es schön auf den Punkt bringt: "Wir träumen heute von einer Zeit, in der die Leute von einer Zukunft geträumt haben, die heute Realität ist". Gerade die Braun Geräte aus den sechzigern und siebzigern verkörpern auf perfekte Weise den Glauben an eine bessere Zukunft durch Technik. Sie strahlen so eine optimistische Klarheit aus, während man bei den modernen Geräten oft den Eindruck hat, dass die Dinger zwar alles können, man aber nicht mehr so wirklich weiß, was man jetzt noch erfinden soll, um die Industrie am Laufen zu halten. Wenn ich früher eine teuer gekaufte Kiste nach Hause getragen habe, habe ich mich auf dem Weg schon auf das Hörerlebnis gefreut - wenn ich heute einen Multimediareceiver "mit alles" nach Hause trage, geht mir eher durch den Kopf, was ich alles noch tun muss, welche Probleme ich lösen muss, und was ich für persönliche Daten preisgeben muss, bevor das Teil die ersten Töne von sich gibt.

Gruß Frank
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Re: LV 720 - Generalüberholung

#7 Beitrag von raimund54 » 21.01.2021, 11:19

Hallo Frank,

so schlecht, wie Du die LV 720 machst, sind sie nun wirklich nicht. Die Endstufen sind genauso gut oder schlecht konstruiert wie z.B. in einem CSV 300, regie 510, 520, 550, nur das alles weggelassen worden ist, was zur Kurzschlußerkennung und -reaktion nötig ist, damit die Endstufen nicht gleich bei einem Kurzschluß kaputt gehen. Außerdem haben die 3 Endstufen in den Aktivboxen nur einen jeweils begrenzten Frequenzbereich zu verstärken, was z.B. gewisse Intermodulationsverzerrugen vermeidet bzw. minimiert gegenüber einer normalen Endstufe, die den ganzen Frequenzbereich von 20 bis 20000 Hz versorgen muß.

Das eine passive Freqeuezweiche nicht unbedingt sauber und verzerrungsarm arbeitet, sollte auch bekannt sein. Da sind die aktiven Frequnzweichen der LV 720 den passiven in L 710 überlegen, weil z.B. keine Spulen enthalten sind.

Bei etwas höheren Lautstärken sind die Aktivboxen auf jeden Fall sauberer und durchsichtiger im Klang als die passiven. Dazu kommt, dass Spitzenpegel besser verarbeitet werden können. Im Extremfall hat die LV 720 eine verstärkermäßige Spitzenleistung (=Musikleistung) von bis zu 170 Watt mit allen 3 Verstärkern zusammen im Vergleich zu einer normalen Endstufe.

Ein keines Manko der LV 720 ist, dass sie im Vergleich zur L 710 etwas weniger Bass hat aufgrund des etwas größeren Gehäusenettovolumens der L 710. Um das teilweise auszugleichen haben die Tieftöner der LV 720 etwas merh Hub als die der L 710.

Gruß

Raimund

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Re: LV 720 - Generalüberholung

#8 Beitrag von fnerstheimer » 22.01.2021, 11:44

hallo Raimund, mir war schon klar, dass Widerspruch kommen würde, aber gerade von der LV720 habe ich mir einiges angehört, weil ich es nicht glauben wollte, dass eine in HiFi-Kreisen renomierte Firma so einen Fehlschuss produziert hat. Ich habe als Frontlautsprecher für die Quadroanlage noch die LV1020, diese erschlagen Dich fast mit dem Bass, klingen aber ansonsten auch nicht anders, dumpf, muffig und unpräzise mit der Neigung, bei höheren Lautstärken ins Schrille zu wechseln und Überschwinger zu produzieren. Wenn Du Dir mal anhören möchtest, was im Consumer Bereich mit Aktivtechnik schon 1973/74 möglich war, dann hör Dir mal im direkten Vergleich zur LV720 die Philips MFB 532 an, da liegen nicht Welten sondern Universen dazwischen.

Ähnlich verhält es sich auch bei den Receivern, da waren die Verstärkerteile ja nicht besser. Für wenig Geld mehr als das, was ein Regie 510 gekostet hat, hast Du z.B. eine Grundig Kombination SV140 / RT100 bekommen, Du kannst Dir gerne mal die Mühe machen, die Schaltungstechnik zu vergleichen und die Geräte probezuhören, dann verstehst Du besser, was ich mit meiner Braun Kritik meine. Natürlich kann man mit den Braun-Geräten Musik hören, das habe ich ja auch gar nicht bestritten. Die klangliche Performance passt aber nicht zum Preis und zum Anspruch, den die Geräte damals hatten. Ich sehe Braun in einer Linie mit Firmen wie Brionvega - da war die Avantgarde auch wichtiger als die ausgefeilte Technik, und es hat eine Menge Leute gegeben, die genau sowas haben wollten.

Gruß Frank
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Re: LV 720 - Generalüberholung

#9 Beitrag von raimund54 » 22.01.2021, 12:54

Hallo frank,

ich will jetzt keinen Glaubenskrieg hier aufmachen, aber bei Braun stand neben der Technik auch das Design mit an vorderster Stelle und hat gegenüber vielen damals üblich Nußbaumgehäusen anderer Firmen (z.B. Revox, Dual) oder ähnlichem sich sehr positiv abgehoben. Um es mit einem alten Spruch zu sagen es war schon immer etwas teurer einen besonderen Gesxchmack zu haben. Und Braun war etwas teurer.

Was nun den Vergleich mit Philipps MFB Boxen angeht, so kamen diese erst ab 1976 auf den Markt, soweit mir bekannt ist. Drei Jahre Entwicklungszeitraum waren gerade damals bei den Boxen Äonen oder Welten.

In einem muß ich Dir recht geben: die LV 1020 klingen etwas dumpfer als LV 720 oder L 710. Nur das die Aktivboxen, da ja direkte Ankopplung der LS-Systeme an die Endstufen haben, mehr Überschinger o.ä. als die passiven produzieren (Kabel + Fequenzweiche zwischen Verstärker und LS-Systemen!!), kann nicht sein. Da stimmt an den Boxen bzw. LS-Systemen etwas nicht. Bei meinen 8 LVs habe ich das noch nicht festgestellt, selbst bei Wiedergabe von direkt an die Anlage angeschlossenen Musikinstrummenten wie Gitarre, Bass, Keyboards usw. bei sehr hohen Lautstärken. Das kam klar und sauber rüber, was so mit den passiven Boxen nicht möglich war. Gut, ein Mitteltöner mußte dabei mal in einer LV 720 dran glauben:-(

Ich kam damals Anfang der 70er über das Design zu Braun und die Technik war nicht die schlechteste.

Gruß

Raimund

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Re: LV 720 - Generalüberholung

#10 Beitrag von Rudolf » 22.01.2021, 13:12

Hallo zusammen,

das mit dem dominanten Bass der LV 720 kann ich bestätigen. Da ich über ein Raumkorrektursystem verfüge, habe ich erst gar nicht lang mit den auf der Rückseite befindlichen Klangreglern gespielt, sondern die Boxen direkt eingemessen. Das Ergebnis ist eine sehr angenehme, durchaus dynamische Spielweise. Für mich vollkommen ausreichend. Denn wie Raimund zu recht schreibt, ergötzt man sich bei Braun-Boxen nicht nur am Klang sondern zusätzlich am tollen Design. :D

Apropos Design, die LV 1020 hatte ich auch mal. Die spielen wahrhaftig nicht schlecht, gefallen mit aber optisch längst nicht so gut wie die LV 720. Auf den Original-Standfüßen sind sie einfach der Lautsprecher-Designklassiker.

Viele Grüße
Rudolf

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Re: LV 720 - Generalüberholung

#11 Beitrag von fnerstheimer » 23.01.2021, 15:37

@raimund - die MFB Technik von Philips kam 1973 auf den Markt, guckst Du z.B. hier:

http://www.hifi-archiv.info/Philips/philips73-5/

Und schon das erste Modell, die RH532, hat die Braun LV720 in jeder Disziplin an die Wand gespielt - auch wenn ich solche HiFi-Tester-Rethorik eigentlich nicht mag, fällt mir zu dem Vergleich kein anderes Vokabular ein. Besonders traurig ist das vor allem auch deshalb, weil die Braun Box rund ein viertel teurer war als die von Philips.

Und ansonsten gebe ich Dir doch recht - absolut gesehen war die Technik von Braun ok, und das mit dem Design habe ich ja mehrmals lobend erwähnt. Wenn man aber die Philosophie von Braun vom wahren HiFi in den Prospekten liest, und sich die Preise von Braun im Vergleich zu den anderen ansieht, und dann merkt, dass die Geräte in ganz vielen Bereichen vom technischen Entwicklungsstand noch die sechziger Jahre verkörpern, und man wie im Fall des TGC450 nicht mal den Aufwand betrieben hat, ein gutes Cassettengerät zuzukaufen, wenn man schon was zukauft, dann passt das einfach nicht zusammen. Philips, Grundig und Co. waren die "Opels" im HiFi-Geschäft, wollten auch gar nichts anderes sein, und konnten trotzdem häufiger positiv überraschen. Braun wollte eine Mercedes S-Klasse sein, hat aber zu großen Teilen nur Technik und Klang geboten, der nicht mal das Opel Niveau erreicht hat.

Und selbst das wäre heute fast 50 Jahre später noch egal, wenn nicht immer wieder angefangen werden würde, in den Braun Geräten edelstes HiFi nach den Maßstäben von 2021 zu sehen. Wenn es einem wirklich darum geht, die Klangqualität auf die Spitze zu treiben, gibt es heute bessere und sogar teilweise billigere Möglichkeiten, als alte Braun Geräte am Leben zu halten - genau wie mir meine Smartwatch auch die Zeit besser anzeigt als ein mechanischer Wecker von 1950. Und trotzdem gibt es Gründe, sich mit den alten Braun-Kisten zu beschäftigen, und die nennen sich Liebhaberei oder meinetwegen auch Interesse an Technik-Historie. Nichts weiter wollte ich zum Ausdruck bringen.

Gruß Frank

@Rudolf - das mit dem übertriebenen Bass hatte ich auf die LV1020 bezogen, die LV720 klingt nach meinem Empfinden eher etwas bassschwach.
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Re: LV 720 - Generalüberholung

#12 Beitrag von T. Schmidt » 07.10.2021, 07:32

Hallo,

ich hatte mir nach meinen in der Klang+Ton dokumentierten positiven Erfahrungen mit der L-710 auch ein Pärchen LV-720 besorgt, da ich bei Aktivboxen bei der Kontrolle der Chassis nur Vorteile sehe.

Das Problem bei der LV-720 ist nicht die Technik an sich, auch wenn man natürlich über die etwas ollen, kondensatorgekoppelten Endstufen die Nase rümpfen kann... Eher schon das etwas kleinere Gehäuse der Aktivbox, aber das wird (auch rechnerisch) durch den geringeren Widerstand zwischen Endstufe und Chassis wegen des fehlenden Passivfilters auch wieder ausgeglichen.

Nicht optimal gelöst ist bei der LV-720 die gewählte Abstimmung: Bei "Neutralstellung" der Regler haben wir einen Frequenzgang mit ausgeprägter Betonung des Bass- und Hochtonbereichs - der klassische Taunussound. Selbst bei bewusster Rücknahme der beiden Regler (leider kann der Mittelton ja nicht geregelt werden) geht das nicht ganz weg. Ich habe mir da eine eigene Lösung gebastelt und ein Trimmpoti auf der Verstärkerplatine nachgerüstet, mit dem ich den Parallelwiderstand des Spannungsteilers vor der Endstufe vergrößern kann.
Ergebnis: Der Pegel des Mitteltöners ist jetzt auf einem Level mit den anderen Bereichen, aber nun gibt es zwei andere Probleme: Zum einen passt die aktive Weiche jetzt nicht mehr optimal - die Übergänge vom Mitteltöner zu den Chassis darüber und drunter sind als kleine Senken im Frequenzgang sichtbar, was ich als erste Arbeitsgrundlage erst einmal noch ignorieren könnte. Was ich schlimmer finde: Der hier gegenüber der L-710 deutlich tiefer getrennte Mitteltöner macht bei der neuen linearen Abstimmung jetzt am unteren Ende seines Einsatzbereichs extrem viel Klirr. 400 Hertz schafft die 50-Millimeter-Kalotte einfach nicht!

Henne-Ei-Problem: Hat man bei Braun den MT soweit abgesenkt, weil er den linearen Pegel bis 400 Hertz nicht schafft oder hat man ihn bis 400 Hertz gezogen, weil man ihm sowieso weniger Pegel gegönnt hat?! Ich weiß es nicht. Ich weiß nur: Um die Vorteile der Aktivtechnik zu nutzen, müsste ich die Filter in den Aktivmodulen so weit umstricken, dass ich unterm Strich eine "LV-710" habe, also die Trennfrequenzen der Passivbox verwende.

Gruß

Thomas

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Re: LV 720 - Generalüberholung

#13 Beitrag von fnerstheimer » 07.10.2021, 15:00

mein Erstkontakt zur LV720 waren zwei optisch ramponierte Dachbodenfunde. Diese klangen genauso, wie Du es beschreibst - damals habe ich das noch darauf geschoben, dass die Boxen wahrscheinlich überholt werden müssen.

Ein Jahr später habe ich dann zwei richtig gute mit Känguruhfüßen bekommen, die vom Vorbesitzer fachkundig überholt worden sind. Als die dann genauso klangen wie meine Dachbodenfunde, kamen mir die ersten Zweifel. Und als die angeblich neuwertige Quadroanlage auf einer Vorführung im Museum in Kronberg auch nicht anders geklungen hat, nur noch unangenehmer, weil man hier mit vier Lautsprechern einen großen hallenden Raum beschallen musste, war mir klar, dass die LV720 wohl wirklich nicht mehr kann.

Das große Aha Erlebnis war dann ein Paar L710 an einem Luxman Verstärker aus den neunziger Jahren. An diesem Verstärker klangen die Lautsprecher in der passiven Ausführung zum Niederknien, ich konnte es nicht fassen, dass hier fast baugleiche Lautsprecher wie in der LV720 verbaut waren.

Über Schaltungstechnik rümpfe ich generell nicht die Nase, wenn das Ergebnis stimmt. Im Falle der LV720 ist das Ergebnis aber genauso, wie man es nach dem Lesen des Schaltbildes erwartet, und wie ich schon oben geschrieben habe, fällt das deshalb so besonders auf, weil Braun selber sich ja preislich und vom Anspruch weit oberhalb von Grundig, Philips und Co. positioniert hat. Wenn ich damals bei Braun Lautsprecherentwickler gewesen wäre, ich hätte mich geärgert, wenn man meine tollen Entwicklungen mit solcher freudlos konstruierten Elektronik an die Kette gelegt hätte. Die LV1020 ist eigentlich noch schlimmer - da bläst einen der Bass von der Couch, ansonsten ist der Frequenzgang genauso krumm.

Gruß Frank
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