Hallo Thomas,
eine genormte Frequenz zur Messung des ESR gibt es meines Wissens nicht. Es existieren darüber lediglich unterschiedliche Auffassungen und Präferenzen, die jede für sich genommen, schon sinnvoll erscheinen. Prinzipiell liegst Du sicherlich mit Deiner Methode, nach dem jeweiligen Einsatzbereich des Elkos über die Messfrequenz zu entscheiden, nicht falsch.
Man muss sich bei seiner Entscheidung über die Auswahl einer sinnvollen Messfrequenz und des daraus resultierenden ESR eines Elkos über einige Zusammenhänge im klaren sein. Ich muss mich dazu nun leider einiger Formeln bedienen, ohne die mir eine Erklärung kaum möglich erscheint.
Der Scheinwiderstand Z eines Kondensators errechnet sich aus seinem Blindwiderstand X
c zum Quadrat plus dem ESR zum Quadrat und das Ganze unter der Quadratwurzel, also so:
Z = ((X
c² + ESR²))^0,5, wobei X
c = (2 • π • f • C)^-1 ist.
Man sieht also, dass wenn man X
c immer kleiner macht, er immer mehr an Einfluss gegenüber dem ESR verliert und letztlich nur noch der ESR die bedeutende Größe darstellt. Wie kann man das bei einem gegebenen C erreichen? Indem man f immer größer werden lässt. Das spricht für die Methode, den ESR immer mit einer möglichst hohen Frequenz zu messen. Allerdings sind diesbezüglich bei den meisten LCR-Messgeräten Grenzen gesetzt; sie geben dann bei der Auswahl einer hohen Messfrequenz ab einem bestimmten Kapazitätswert keinen Messwert mehr aus und man muss dann die Frequenz zwangsläufig reduzieren.
F&G geht einen anderen Weg. Sie geben die ESR-Werte ihrer Elkos grundsätzlich bei einer Messfrequenz von 100 Hz an und beziehen sich dann auf den Kurvenverlauf des ESR in Abhängigkeit von der Frequenz. Bei dieser Methode erscheint der benannte Wert des ESR im ersten Augenblick zwar etwas bescheiden (hoch) zu sein, aber man sieht, dass er schon bei 1 KHz auf das 0,7-fache abgefallen ist und bei 10 KHz ca. den 0,625-fachen Wert erreicht. Das ändert sich dann in Richtung 100 KHz kaum mehr; die Kurve verläuft in diesem Bereich nahezu waagerecht.

Der gezeigte Kurvenverlauf ist natürlich nicht allgemeingültig, sondern soll nur exemplarisch den grundsätzlichen Verlauf des ESR in Abhängigkeit von der Frequenz zeigen. Je nach Kapazität, Fertigungsqualität und verwendeten Materialien, der Rauhigkeit der Alufolie, insbesondere aber des verwendeten Elektrolyts (dies alles beeinflusst den Verlustfaktor tan δ des Kondensators), kann der bei 100 Hz gemessene ESR bei 100 KHz sogar den 0,1-fachen Wert oder noch kleiner annehmen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch eine andere Definition des ESR anführen:
ESR = tan δ • (2 • π • f • C)^-1
Wenn man zur ESR-Messung z.B. eines Siebelkos im Netzteil eines Verstärkers die Messfrequenz nach eigenem Dafürhalten festlegen möchte, sollte man dabei auch berücksichtigen, dass ein solcher Elko nicht nur mit dem Ripplestrom der Netzfrequenz beaufschlagt wird, sondern ebenso mit dem Entladestrom, dessen Frequenz aus dem ganzen Spektrum des NF-Signals besteht. Letzteres gilt natürlich auch für die im Verlauf der Stromversorgung für die Vorstufen eingesetzten kleineren Siebelkos. Man kann sich aber beruhigt mit dem Wissen zurücklehnen, dass der ESR mit steigender Frequenz ohnehin immer sinkt.
Resümee aus all dem: Wenn der einzusetzende Kondensator bzw. Elko ein wirklich gutes Ergebnis abliefern soll, sollte man in erster Linie auf einen möglichst niedrigen ESR achten und sich ggf. grob ausrechnen, ob der ins Auge gefasste Elko an dieser Stelle mit seinem ESR seinen Zweck erfüllen wird, ob man einen besseren einsetzen sollte oder ob es an dieser Stelle sogar ein minderwertigerer tun würde. Wenn die Ansprüche sehr hoch sind, wird man an kritischen Stellen dem (Sieb-)Elko einen guten Folienkondensator parallel schalten, um dadurch eine höhere Gesamtgüte zu erzielen. Bei hohen Frequenzen kommt nämlich mehr und mehr die schädliche Serieninduktivität des Elkos zum tragen, die seinen Verlustfaktor wieder ansteigen lässt.
Mehr fällt mir jetzt auch nicht mehr zum Thema ESR ein. Du siehst, es bestehen vielseitige Abhängigkeiten. Man muss deshalb mit ein wenig Sachverstand herangehen und die Ergebnisse daraus dann möglichst richtig einschätzen. Was ich bezüglich unseres Mess-Projekts hier im Forum sagen wollte, war, dass wir uns in diesem Fall alle auf eine Messfrequenz von 1 KHz festlegen sollten, damit die Resultate vergleichbar bleiben.
Viele Grüße
Heinrich